Kultur für alle Stuttgart

von Kai Schroth

Die junge alleinerziehende Mutter und ihre 3 Kinder sehen erschöpft, aber glücklich aus. Sie kommen gerade aus dem Jungen Schloss, dem Kindermuseum des Alten Schlosses, wo sie die Ausstellung „Räuber Hotzenplotz“ gesehen haben. Möglich war ihnen der Besuch durch ein Angebot der Stadt Stuttgart, der „Bonuscard + Kultur“. Die Initiative „Kultur für alle Stuttgart“, auf die dieses Angebot zurückgeht, ermöglicht so Menschen, die wenig Geld haben, am hiesigen Kulturleben teilzunehmen.

Die Anfänge dieser Initiative gehen zurück in den Herbst 2008. Etwa 40 Menschen kamen damals zu einem Runden Tisch zusammen, in dessen Verlauf die Teilhabe an Kultur von „benachteiligten Personen“ im Mittelpunkt stand. Wer sich in Stuttgart für Kultur interessiert, sollte sich an diesen Angeboten auch erfreuen können, selbst wenn der Geldbeutel schmaler ist. Die Idee für diesen Runden Tisch wurde von der Caritas über die Stadt Stuttgart an die Bürgerstiftung und die Breuninger Stiftung herangetragen.

Zur Realisierung dieses Runden Tisches konnte die Bürgerstiftung die Spende einer Stuttgarter Bürgerin einsetzen. Auf Augenhöhe kamen die Beteiligten – unter anderem vom Sozialamt der Stadt Stuttgart, von Kultureinrichtungen, von Wohlfahrtsverbänden, von der Volkshochschule, vom Gemeinderat sowie von der Bürgerstiftung – an einen Tisch zusammen, um an der Realisierung dieses Projekts zu arbeiten. „Die Entscheidung für das Verfahren ,Runder Tisch‘ hat sich als richtig herausgestellt, weil wir innerhalb nur eines Jahres ein für alle tragbares Ergebnis gefunden haben“, so Harald Wohlmann von der Caritas Stuttgart, der als Beteiligter involviert war.

Im Laufe des Prozesses, der von Mitarbeiter*innen der Breuninger Stiftung bzw. der Bürgerstiftung moderiert und begleitet wurde, fand sich ein Titel für das Projekt, und zwar: „Kultur für alle Stuttgart“. Das Besondere an diesem Stuttgarter Modell war, dass keine eigenständige Karte für den ermäßigten und/oder kostenfreien Besuch von Kulturveranstaltungen entworfen wurde, sondern die bereits bestehende „Bonuskarte“ für finanziell Benachteiligte in Stuttgart zu einer „Bonuscard + Kultur“ erweitert und aufgewertet wurde. Wichtig war also die Anbindung an vorhandene Strukturen.

Für Corinna Walz, die für die Bürgerstiftung den Prozess begleitete, hatte die Methode des Runden Tisches folgende Vorteile: „Das Format ermöglicht allen Akteuren, die Ressourcen aus den eigenen Bereichen miteinzubringen und gemeinsam auf Augenhöhe zu entwickeln, wie diese Ressourcen gewinnbringend miteinander kombiniert werden können bzw. die größtmögliche Wirkung entfalten können“.

Folgende Ergebnisse ergaben sich: Als rahmengebende Struktur wurde der Verein „Kultur für alle e.V.“ als Träger gegründet, dem ca. 15 Personen angehören. Ein weiteres Ergebnis des Runden Tisches war, dass eine Teilzeitstelle für eine professionelle Geschäftsführung geschaffen wurde. Die Geschäftsführerin ist seit 2012 Frau Eva Ringer. Für sie steht die Netzwerkarbeit mit den Kulturpartnern im Mittelpunkt. Zu diesen aktuell 96 Partnereinrichtungen zählen unter anderem das Theaterhaus, das Kunstmuseum, außerdem die Staatstheater Stuttgart sowie etliche weitere Museen. Zu Beginn jeden Jahres erscheint ein Booklet mit Informationen und Veranstaltungen, das an vielen Orten ausliegt.

Jährlich profitieren ca. 65.000 Menschen in Stuttgart von diesem Angebot, das sind rund 14.300 kostenfreie Besuche im Jahr 2018. Tickets für Veranstaltungen können vorbestellt und an der Abendkasse gegen Vorlage der Bonuscard + Kultur abgeholt werden. Beim Museumsbesuch, beispielsweise für die vierköpfige Familie, war es noch einfacher: sie mussten lediglich die Bonuscard + Kultur am Eingang vorzeigen und kamen so kostenlos in den Genuss von „Räuber Hotzenplotz“. „Es war super“, ist ihr freudestrahlendes Fazit.

Die Runden Tische